Welche Unterschiede gibt es zwischen dem deutschen und dem niederländischen Vertragsrecht?

 

Sollte ein deutsches Unternehmen mit einem niederländischen Geschäftspartner Verträge abschließen, dann ist, wenn nichts anderes vereinbart wird, deutsches oder niederländisches Recht anwendbar. Dabei sind das niederländische und das deutsche Vertragsrecht auf vielen Ebenen identisch, da in bestimmten Fällen EU-Richtlinien greifen und somit über dem nationalen Recht stehen. Allerdings ist die Auswirkung der europäischen Richtlinien in beiden Ländern regelmäßig so unterschiedlich, dass dies große Folgen für Streitigkeiten bei grenzüberschreitenden Verträgen haben kann.


Vertragsrecht - Vertragsgestaltung in den Niederlanden | deutschsprachige Anwälte in Amsterdam


Gerichtsstand und anwendbares Recht bei deutsch-niederländischen Verträgen

Nach niederländischem Recht kann man den Gerichtsstand ​​(Sitz des zuständigen Gerichts) und auch das anwendbare Recht vertraglich festlegen. Bei dem Abschluss eines Vertrags zwischen einer deutschen und einer niederländischen Partei, wird die vertragliche Wahl des Gerichtsstands aktuell anhand der EU-Verordnung 1215/2012 (EUGVVO) geprüft. Sollte ein Gerichtsstand nicht vertraglich festgelegt sein, dann muss im nächsten Schritt der Gerichtsstand anhand der EUGVVO festgestellt werden. Es ist daher sinnvoll, frühzeitig den Gerichtsstand vertraglich festzulegen. Denn damit wird vermieden, dass man plötzlich in einem anderen Land ein Gerichtsverfahren führen muss. Hinzu kommt, dass das zuständige Gericht nach seinen eigenen Gesetzen entscheidet, welches Recht auf den jeweiligen Vertrag anzuwenden ist. Die Empfehlung lautet deshalb: den Gerichtsstand vertraglich festzulegen, und sich vorab über die Gesetze des betreffenden Gerichts zu informieren. So können unangenehme Überraschungen bezüglich des anwendbaren Rechts vermieden werden.

Neben der Wahl des Gerichtsstands, kann auch das anwendbare Recht vertraglich festgehalten werden. Häufig wird bei niederländisch-deutschen Vertragsverhältnissen das anwendbare Recht, inklusive einer Rechtswahl, anhand der EU-Verordnung 593/2008 (ROM I) beurteilt. Das anwendbare Recht vertraglich festzulegen, ist (selbstverständlich) sinnvoll, da man somit unerwartete Risiken sowie unerwünschte Rechtsfolgen vermeiden kann.

Vertragsschluss in Holland

Verträge können nach niederländischem Recht im Grunde genommen formlos geschlossen werden. Das heißt, dass Verträge sowohl schriftlich als auch mündlich geschlossen werden können. Ein mündlich abgeschlossener Vertrag ist natürlich schwieriger nachzuweisen.

Verträge können sowohl mit juristischen Personen als auch mit Privatpersonen geschlossen werden. Eine juristische Person muss dabei von einem Geschäftsführer (oder Bevollmächtigten) vertreten werden. Hierbei gilt die Unterschrift des Geschäftsführers als Unterschrift der juristischen Person.

Wichtig: Im niederländischen Handelsregister kann vorab geprüft werden, welche Personen berechtigt sind, die juristische Person bzw. das Unternehmen zu vertreten. Als Vertragspartner kann man davon ausgehen, dass die Daten, die im Handelsregister hinterlegt sind, auch gleichzeitig valide sind. Eine weitere Überprüfung ist nur in wenigen Fällen sinnvoll.

Ist eine juristische Person Vertragspartner, dann ist diese bei vertraglichen Problemen die haftbar zu machende Person. Lediglich wenn dem Geschäftsführer persönlich ein gravierender Vorwurf gemacht werden kann, können Ansprüche aus dem Vertrag mit der juristischen Person gegen den Geschäftsführer selbst geltend gemacht werden.

Sind Vertragsverhandlungen bereits so weit fortgeschritten, dass Parteien nicht mehr unverbindlich zueinanderstehen, aber formell noch kein Vertrag zustande gekommen ist, dann kann es unerlaubt sein, die Vertragsverhandlungen vorzeitig zu beenden. Die zurückziehende Partei ist in dem Fall verpflichtet, den entstandenen Schaden zu erstatten.

 

Allgemeine Vertragsbedingungen in den Niederlanden

Auch in Holland können nach niederländischem Recht Allgemeine Vertragsbedingungen Teil des Vertrages werden. Beide Vertragsparteien müssen dafür vereinbaren, dass die Bedingungen auf den Vertrag anwendbar sind. Dies kann entweder stattfinden, indem in einem Angebot die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) für anwendbar erklärt werden, wobei die andere Vertragspartei dieses Angebot ohne weiteres akzeptiert, oder indem dies in dem Vertrag explizit festgelegt wird. Die AGB nach vorherigem Vertragsschluss, z.B. bei Abrechnung, für anwendbar zu erklären, ist somit zu spät.

Wichtig: Der Verwender der AGB muss der Vertragspartei vor oder während des Vertragsschlusses die Möglichkeit bieten, von den allgemeinen Geschäftsbedingungen Kenntnis zu nehmen.

Dies kann auf folgendermaßen geschehen:

  1. Die AGB werden vor oder während Vertragsschluss der Vertragspartei vorgelegt;
  2. Ist die Übergabe der AGB nicht möglich, kann der Vertragspartei bei Vertragsschluss mitgeteilt werden, dass die AGB anwendbar sind, und dass diese eingesehen werden können;
  3. Wird der Vertrag elektronisch geschlossen, dann müssen die AGB zur Verfügung gestellt werden und von der Vertragspartei einfach auf einem eigenen Datenträger zu speichern sein.

Sollte der Anwender der AGB seiner Informationspflicht nicht nachkommen, können Privatpersonen und KMUs die AGB erfolgreich anfechten, was in den meisten Fällen zur Nichtigkeit der AGB führt. Wenn man seine AGB auf einen Vertrag anwendbar machen möchte, sollte man darauf achten, dass die AGB vor oder während des Vertragsschlusses als anwendbar erklärt werden, und dass die Vertragspartei die AGB zur Kenntnis nehmen kann.

Erklären beide Vertragsparteien ihre AGB auf den Vertrag anwendbar (sog. „battle of forms“), dann wird die AGB priorisiert, die zuerst als anwendbar erklärt wurde. Oft sind das die AGB der Partei, die das Angebot macht. Diese AGB werden nur dann kein Vertragsbestandteil, wenn die Anwendung ‚ausdrücklich‘ abgelehnt wird. Eine allgemeine Ablehnung von allen anderen AGB in den eigenen AGB reicht diesbezüglich nicht aus.   Inwiefern die Ablehnung “ausdrücklich” erfolgt ist, muss nach allen relevanten Umständen beurteilt werden.

 

Wer entscheidet über den Vertragsinhalt in Holland?

Auch in den Niederlanden handeln den größten Teil des Vertragsinhalts die Vertragspartner aus. Manche Vertragsformen, wie z.B. Kauf-, Arbeits-, Agentur- oder Distributionsverträge, sind jedoch gesetzlich geregelt. Dabei gelten regelmäßig, z.B. bei Arbeits- und Kaufverträgen, zwingend gesetzliche Regeln, von denen nicht abgewichen werden kann. Außerdem regelt das niederländische Recht die Gültigkeit von Rücktrittsbedingungen sowie alles rund um Aufschub und finanzielle Sanktionen.

Sollte das zuständige Gericht das Vertragsverhältnis beurteilen, wird auch immer berücksichtigt, ob die Rechtsfolgen angemessen sind. Streiten die Parteien über den Inhalt eines Vertrages, dann ist entscheidend, was die Parteien aufgrund der vorliegenden Umstände aus der Verhaltensweise voneinander erwarten durften. Dabei ist die wörtliche und verschriftlichte Bedeutung der vertraglichen Bedingungen wichtig, aber nicht zwingend ausschlaggebend, sodass in einem gerichtlichen Verfahren regelmäßig Spielraum für Diskussion über die Bedeutung von vertraglichen Bedingungen besteht.

 

Nichterfüllung eines Vertragsanspruchs nach niederländischem Recht

Was passiert wenn man einen Vertrag in Holland nicht einhält? Erfüllt eine Partei ihre Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht, dann hat man als Gläubiger nach niederländischem Recht grundsätzlich drei mögliche Ansprüche:

  1. Nachbesserung: z.B. Nachlieferung, Reparatur, Ersatzlieferung
  2. Schadensersatz
  3. Rücktritt

Erfüllt eine Partei ihre Vertragsverpflichtungen nicht, dann kann die andere Partei ohne weitere Nachbesserung verlangen. Es gibt allerdings auch hier Ausnahmen: Sollte dies aufgrund der Umstände nicht zugemutet werden können, darf Nachbesserung durch den anderen Vertragspartner verweigert werden. In dem Fall können dann andere Ansprüche, wie z.B. der Rücktritt oder Schadensersatz, durchgesetzt werden.

Um Schadensersatz geltend machen zu können, muss die andere Partei in Verzug sein. Verzug entsteht, wenn Nachbesserung nicht möglich ist, nicht innerhalb einer angemessenen gesetzten Frist nachgebessert wird oder Nachbesserung durch den Vertragspartner verweigert wird Außerdem muss die Vertragsverletzung zuzurechnen sein. Wichtig: Eine Schadensersatzforderung kann in den Niederlanden mit einer Nachbesserungs- oder Rücktrittsforderung kombiniert werden.

Für einen Rücktritt vom Vertrag ist ebenfalls Verzug von der anderen Partei erforderlich. Um vom gesamten Vertrag zurückzutreten, muss die Vertragsverletzung zudem gravierend genug sein. Ist dies nicht der Fall, dann ist ein Rücktritt nicht bzw. nur teilweise möglich.

In den Niederlanden ist es vertraglich (im Vertrag oder in den AGB) möglich, Haftung bei Vertragsverletzung auszuschließen.

Achtung: Die Haftung für vorsätzliches Handeln kann nicht ausgeschlossen werden. Zudem wird die Gültigkeit des Haftungsausschlusses im Rahmen der gesamten Vertragsbedingungen betrachtet. Allgemeine Haftungsausschlussbedingungen sind regelmäßig viel zu umfassend formuliert, sodass diese in den Niederlanden nicht rechtsgültig sind. Demnach ist es meistens sinnvoll, eine Haftungsausschlussbedingung so genau wie möglich zu formulieren.

Schließt man Verträge mit Verbrauchern (B2C) in den Niederlanden, dann kann die Haftung bei Vertragsverletzung nicht ausgeschlossen werden. Es ist somit empfehlenswert, genau zu überprüfen, in welcher Beschaffenheit die Vertragspartei den Vertrag schließt und ggf. einen deutschsprachigen Anwalt in den Niederlanden für Vertragsrecht zu konsultieren.

Kontakt

Haben Sie weitere Fragen zur Vertragsgestaltung in Holland? Gerne steht Ihnen unser deutschsprachiger niederländischer Anwalt Pieter Bosma bei allen Fragen bzgl. des niederländischen Vertragsrechts zur Seite. Kontaktieren Sie Herrn Bosma gerne unter der Nummer +31(0) 204919244 oder per E-Mail unter p.bosma@berlinger.nl

 

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