Sie beabsichtigen in naher Zukunft einen Vertragsschluss, eine Unternehmensgründung oder die Ausübung eines Arbeitsverhältnisses in den Niederlanden und wollen sich in diesem Zusammenhang über die Haftung im niederländischen Recht informieren?
In diesem Artikel fassen wir Ihnen die wichtigsten Informationen zur Haftung im niederländischen Vertragsrecht zusammen. Eine folgenschwere Klausel zur Haftung, womöglich in den AGB versteckt, eine unwirksame Haftungsausschlussklausel oder eine überraschende vorvertragliche Haftung können weitreichende und teilweise sogar existenzielle Konsequenzen für die Vertragsparteien haben. Entsprechend wichtig ist es, sich im Voraus eines Vertragsschlusses mit diesem relevanten Bestandteil des niederländischen Vertragsrechts zu beschäftigen.
Was bedeutet Haftung? – Haftungsrecht in Holland
Die Haftung innezuhaben, bedeutet für einen etwaigen entstandenen Schaden an dem Rechtssubjekt eintreten zu müssen. Umgangssprachlich könnte man Haftung mit dem Innehaben von Verantwortung für eine gewisse Sache umschreiben. Bei dem Rechtssubjekt für welches man haftet kann es sich um einen beweglichen Gegenstand, eine Immobilie oder auch eine Person handeln.
Haftung besteht in vielen Rechtsgebieten und entsprechend in vielen unterschiedlichen Formen. Einige Beispiele für das Bestehen einer Haftung sind:
- Ein Arbeitgeber haftet für etwaige durch einen Arbeitsunfall entstandene Körperschäden seines Arbeitnehmers.
- Ein Verkäufer haftet bis zum Gefahrübergang (meist Übergabe der Sache an den Verkäufer) für etwaige Schäden, welche an der Sache entstehen.
- Der Halter eines Tieres haftet für etwaige Sach- oder Körperschäden, die sein Tier gegenüber einem anderen Rechtssubjekt (z. B. Person, Institution, Auto) verursacht hat.
Haftung besteht nicht ausschließlich in Fällen, in denen ein schuldhaftes Verhalten zu einer Pflichtverletzung oder einem Schaden führt, sondern in manchen Fällen sehen die gesetzlichen Bestimmungen zur Haftung auch eine Haftung für leicht fahrlässiges Verhalten vor. In anderen Fällen besteht unabhängig von dem Verhalten der Person, sondern allein aufgrund der Rolle oder Position der Person eine Haftung für jegliche Schäden, die in den Regelungskreis der Person fallen.
Die Details zur Haftung werden meist im Voraus zur Schließung des Kaufvertrages während der Vertragsverhandlungen von den Vertragsparteien im Rahmen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) geregelt. Dabei treffen oftmals gegensätzliche Interessen der Parteien aufeinander. Aufgrund der großen Bedeutung von Haftungsklauseln ist hierbei der geführte Dialog zwischen den Vertragsparteien sowie die fachbezogene anwaltliche Unterstützung essenziell.
Folgen der bestehenden Haftung
Haftung innezuhaben hat zur Folge, dass man bei Eintritt des Haftungsfalls verpflichtet ist nachzubessern und/oder Schadensersatz zu leisten. Für die oben genannten Beispiele zur Haftung würde das bedeuten:
- Der Arbeitgeber zahlt dem Arbeitnehmer Schadensersatz in Höhe der durch den Arbeitsunfall entstandenen Körperschäden mitsamt Schmerzensgeld.
- Der Verkäufer muss dem Käufer entweder die mangelhafte Sache reparieren oder eine neue, nicht beschädigte Sache zukommen lassen und dem Käufer Schadenersatz in angemessener Höhe für den eingetretenen Schaden zahlen, der die mangelhafte Sache verursacht hat.
- Der Tierhalter ist verpflichtet, demjenigen Schadensersatz in angemessener Höhe zu zahlen, dessen Gegenstand bzw. Auto der Hund beschädigt hat.
Die Höhe des Schadensersatzes bei Eintritt des Haftungsfalls ist grundsätzlich unter Berücksichtigung der konkreten Umstände zu ermitteln.
Haftungsausschluss in den Niederlanden
Die im niederländischen Recht gesetzlich vorgeschriebene Haftung kann von den Parteien für das konkrete Vertragsverhältnis ausgeschlossen werden. Der Ausschluss der Haftung unterliegt im niederländischen Recht jedoch wiederum auch Vorgaben aus dem Gesetz und vor allem der Rechtsprechung. Sofern diese Vorgaben zum Haftungsausschluss von den Vertragsparteien nicht beachtet wurden, gilt die Haftung nicht als ausgeschlossen und die Vertragsparteien haften den gesetzlichen Vorgaben im niederländischen Recht entsprechend.
Erforderlichkeit der Zustimmung zum Haftungsausschluss
Als Voraussetzung eines wirksamen Haftungsausschlusses nennt das niederländische Recht die Kenntnis von und die Zustimmung zum Haftungsausschluss beider Parteien. Da der Haftungsausschluss meist innerhalb der AGB geregelt wird, ist es ratsam, diese vor der vorschnellen Unterzeichnung genau zu studieren und im Zweifel einen niederländischen Anwalt für Vertragsrecht zur fachlichen Beratung heranzuziehen.
Inhaltliche Anforderungen an den Haftungsausschluss
Sollte der Haftungsausschluss gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen, dann kann die betreffende Bedingung nicht angewendet werden. Ob der Haftungsausschluss zulässig ist, wird von den niederländischen Gerichten in der Regel anhand der Kriterien beurteilt, die der Oberste Gerichtshof in seinem Urteil Saladin gegen HBU von 1967 festgestellt hat. Aufgrund dieses Urteils, sind zahlreiche Umstände zu berücksichtigen, unter anderem:
- die Schwere des Verschuldens, auch im Verhältnis zur Art und Schwere der mit dem Verhalten verbundenen Interessen;
- die Art und den weiteren Inhalt der Vereinbarung, in der die Klausel enthalten ist;
- die soziale Stellung und die gegenseitigen Beziehungen der Parteien;
- die Art und Weise, in der die Klausel geschlossen wurde;
- das Ausmaß, in dem die andere Partei über den Zweck der Klausel informiert war.
In einem ergänzenden Urteil aus 2004 (Kuunders/Swinkels), hat der Oberste Gerichtshof geurteilt, dass es nicht möglich ist, sich von Schäden zu befreien, die durch vorsätzliche oder absichtliche Leichtfertigkeit (grobe Fahrlässigkeit) des Schuldners oder von Personen, die für sein Unternehmen verantwortlich sind, verursacht wurden. Es ist verständlich, dass eine Partei die Haftung für vorsätzlich verursachte Schäden nicht ausschließen kann, da ein solcher Ausschluss gegen die guten Sitten verstoßen würde.
Dies bedeutet, dass man die Haftung für Schäden, die durch einen geringeren Grad des Verschuldens verursacht wurde, ausschließen kann.
Aus dem Urteil Kuunders/Swinkels geht hervor, dass es nicht möglich ist, bewusste Fahrlässigkeit bei der Unternehmensführung auszuschließen. Kann ein Unternehmen also vorsätzliche oder wissentlich fahrlässig verursachte Schäden durch einen Untergebenen ausschließen oder begrenzen? Die Rechtsprechung zeigt, dass dies in der Regel tatsächlich möglich ist. Kann eine geschädigte Person den schädigenden Untergebenen, z. B. einen Arbeitnehmer, dann vielleicht direkt verklagen? Auch das funktioniert nicht immer, da sich der Untergebene regelmäßig hinter der Entlastungsklausel verstecken kann, obwohl er selbst nicht Partei des Vertrags ist, der diese Klausel enthält.
Haftungsausschluss bei Verbraucherverträgen
Sofern es sich bei einer Vertragspartei um einen Verbraucher handelt, gelten im niederländischen Vertragsrecht strengere Voraussetzungen für den Haftungsausschluss. Ein Verbraucher ist eine natürliche Person, welche aus privaten Zwecken handelt.
Ein Haftungsausschluss in den AGB ist nach niederländischem Recht nämlich regelmäßig „unangemessen belastend“ für den Verbraucher. Steht eine Haftungsausschlussklausel auf der sogenannten gesetzlichen „schwarzen oder grauen Liste“, dann wird diese als unangemessen belastend betrachtet, sodass der Verwender der AGB beweisen muss, dass die Haftungsausschlussklausel nicht unangemessen belastend ist. Gelingt dieser Beweis nicht, dann wird die Klausel vernichtet.
Vorvertragliche Haftung in Holland
Neben der vertraglichen Haftung sieht das niederländische Recht auch eine vorvertragliche Haftung vor. Wenn Verhandlungen in der vorvertraglichen Phase scheitern, stellt sich die Frage, ob die kündigende Partei für den Schaden haftbar gemacht werden kann, der der anderen Partei durch das Scheitern der Verhandlungen entstanden ist. Das Urteil in der Rechtssache Plas/Valburg aus 1982 führte zur Entwicklung der Drei-Phasen-Doktrin und ist damit das führende Urteil zur Lehre von der vorvertraglichen Haftung. Es werden drei Phasen unterschieden:
- In der ersten Phase steht es den Parteien frei, die Verhandlungen abzubrechen;
- in der zweiten Phase ist ein Abbruch der Verhandlungen zulässig, führt aber zu einer Schadensersatzpflicht für die Kosten, die der anderen Partei im Rahmen der Verhandlungen entstanden sind (negatives Vertragsinteresse);
- In der dritten Phase befinden sich die Parteien in einem Stadium, in dem ein Abbruch nicht mehr zulässig ist. Die abbrechende Partei muss nicht nur die Kosten und den Schaden der anderen Partei ersetzen, sondern in manchen Fällen ebenfalls den entgangenen Gewinn (die positiven Vertragsinteresse).
Ob der Abbruch von Verhandlungen unzulässig ist oder nicht, betrifft ein strenges Kriterium ist, das sehr zurückhaltend geprüft werden muss. Die vorvertragliche Haftung wird somit nicht schnell angenommen.
Haftung bei verschiedenen niederländischen Unternehmensformen
Neben der Haftung für Personen und Gegenstände gibt es auch die Haftung für Unternehmen. Der Umfang der Haftung richtet sich nach der gesetzlichen Rechtsform des Unternehmens. Im niederländischen Recht unterscheidet sich die Haftung von Unternehmen in Rechtsformen mit Rechtspersönlichkeit, Unternehmen ohne Rechtspersönlichkeit und die Rechtsform der Genossenschaft.
Unternehmen mit Rechtspersönlichkeit
Bei der Unternehmensform mit Rechtspersönlichkeit handelt es sich um die Kapitalgesellschaften. In den Niederlanden gibt es zwei Formen der Kapitalgesellschaften. Es wird zwischen der Gesellschaft mit beschränkter Haftung (besloten vennootschap (BV)) und der Aktiengesellschaft (naamloze venootschap (NV)) unterschieden. Die Rechtsform der Kapitalgesellschaft beschränkt die Haftung der Gesellschafter auf das Gesellschaftsvermögen. Das bedeutet, die Gesellschafter haften nicht mit ihrem privaten Vermögen, sondern ausschließlich mit dem Vermögen der Kapitalgesellschaft.
Unternehmen ohne Rechtspersönlichkeit
Für ein Unternehmen ohne Rechtspersönlichkeit haften die Gesellschafter mit ihrem Privatvermögen. Zahlungsansprüche Dritter werden vorrangig mithilfe des Gesellschaftsvermögens beglichen. Sollte dieses jedoch nicht ausreichen, werden die Ansprüche mithilfe des Privatvermögens der Gesellschafter beglichen. Dabei haftet ein Gesellschafter ab dem Eintritt in die Gesellschaft für jegliche Ansprüche, die gegen das Unternehmen erhoben werden, mitunter auch solche, welche bereits vor dem Eintreten dieses Gesellschafters in das Unternehmen gegenüber diesem bestanden.
Unter Unternehmen mit Rechtspersönlichkeit fallen nach dem niederländischen Recht die Personengesellschaften (personenvennootschappen). Dazu gehören die offene Handelsgesellschaft (venootschap onder firma (VOF)), die Kommanditgesellschaft (commanditaire venootschap (CV) sowie die Bürgerliche Gesellschaft (maatschap).
Ferner handelt es sich auch bei einer Einzelfirma (eenmanszaak) um ein Unternehmen ohne Rechtspersönlichkeit. Entsprechend haftet der Unternehmer auch in dieser Rechtsform mit seinem privaten Vermögen.
Besonderheit der Genossenschaften
Das niederländische Recht sieht eine Besonderheit für Genossenschaften (coöperaties/ onderlinge waarborgmaatschappijen) vor. Für eine Genossenschaft können deren Mitglieder vollständig mit ihrem Privatvermögen haften, jedoch kann die Haftung der Mitglieder auch vollständig ausgeschlossen werden. Sodann erhält der Name der Genossenschaft den Zusatz „U.A.“.
Fragen zur Haftung in den Niederlanden?
Haben Sie weitere Fragen zum Thema Haftung in den Niederlanden allgemein oder für einen konkreten Einzelfall Ihres Unternehmens? Insbesondere weil die Regelung der Haftung in Verträgen oftmals weitreichende Konsequenzen hat und die Wirksamkeit einer Haftungsklausel oder das Bestehen einer vorvertraglichen Haftung besonders vom konkreten Einzelfall abhängen, ist es ratsam, sich von einem fachlichen Experten beraten zu lassen.
Deutschsprachiger Anwalt für Haftungsrecht in Amsterdam
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