Arbeitsunfähigkeit in den Niederlanden
Der Eintritt des Zustandes der Arbeitsunfähigkeit ist in den wenigsten Fällen absehbar. Aufgrund der weitreichenden persönlichen sowie betrieblichen und finanziellen Konsequenzen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber besteht jedoch ein akuter Regelungsbedarf. In den Niederlanden wurde diesem Regelungsbedarf durch die Festlegung weitreichender Arbeitgeberpflichten gegenüber den Arbeitnehmern Rechnung getragen.
Wann gilt man als arbeitsunfähig in den Niederlanden
Der Zustand der Arbeitsunfähigkeit ist gegeben, sofern der Arbeitnehmer aufgrund körperlicher und geistiger Gegebenheiten nicht länger fähig ist, die ihm im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses obliegenden Tätigkeiten zu erfüllen. Dabei ist jedoch ausschlaggebend, dass der Arbeitnehmer nicht vorsätzlich oder fahrlässig den Eintritt des Zustandes der Arbeitsunfähigkeit zu vertreten hat. Die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers kann durch ein Gutachten bei der UWV bestätigt werden. Grundsätzlich wird die Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers jedoch durch den Betriebsarzt festgestellt.
Kündigungsgründe und Verfahren (UWV) in Holland
Da der Zustand der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers für den Arbeitgeber oftmals eine finanzielle Belastung darstellt, kann es dem Arbeitgeber ein Anliegen sein, den Arbeitnehmer schnellstmöglich kündigen zu wollen.
Nach niederländischem Recht ist der Arbeitgeber jedoch nicht berechtigt, dem Arbeitnehmer zu kündigen, solange dieser krankgeschrieben ist. Das Kündigungsverbot dauert während des gesamten Zustandes der Lohnfortzahlungspflicht an. Sollte eine Verlängerung der Lohnfortzahlungspflicht durch die UWV aufgrund des Andauerns der Arbeitsunfähigkeit vorgenommen werden, so wird auch das Kündigungsverbot in den Niederlanden aufrechterhalten.
Eine Kündigung des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber nach den regulären Vorschriften zur ordnungsgemäßen und fristlosen Kündigung ist dann möglich, wenn der Arbeitnehmer wieder als arbeitsfähig gilt. Informationen über die Kündigung im niederländischen Arbeitsrecht finden Sie hier.
Wenn der Arbeitnehmer jedoch weiterhin als arbeitsunfähig gilt, der Arbeitgeber aber nicht mehr zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist, kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer kündigen, es sei denn, es ist absehbar, dass der Arbeitnehmer innerhalb von 26 Wochen wieder gesund wird. Darüber hinaus darf nicht ersichtlich sein, dass der Arbeitnehmer in der Lage wäre, seine Arbeitsleistung unter Berücksichtigung der Umstände seiner Arbeitsunfähigkeit zu erbringen. Auch wenn der Arbeitnehmer im Stande ist, die Arbeit wieder aufzunehmen, eine Wiedereingliederung jedoch aus betrieblichen oder personellen Gründen nicht möglich ist, steht dem Arbeitgeber in den Niederlanden ein Kündigungsrecht zu.
In den Niederlanden ist es dem Arbeitgeber, anders als in Deutschland, nicht möglich seinen Arbeitnehmer „einfach so“ zu kündigen. Eine vorangehende Prüfung durch die niederländische Ausführungsbehörde für Arbeitnehmerversicherungen (UWV) ist erforderlich. Daher hat der Arbeitgeber bei der UWV zunächst einen Antrag auf Kündigung des Arbeitnehmers aus entsprechenden Gründen zu stellen, welcher anschließend durch die UWV zu genehmigen ist.
Sollte der Arbeitnehmer im Zuge seiner Arbeitsunfähigkeit gekündigt werden, so hat der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber einen Anspruch auf Zahlung eines Übergangsgeldes für einen Zeitraum von 104 Wochen. Bei diesem Übergangsgeld handelt es sich um eine Art Arbeitnehmerversicherung, sodass der Arbeitgeber diesen Betrag von der UWV im Nachhinein zurückfordern kann.
Pflichten des Arbeitgebers in Holland
Die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers beginnt in den Niederlanden mit dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit und der entsprechenden Krankmeldung für zunächst 24 Monate. Während dieser Zeit muss der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer monatlich mindestens 70 % des aktuellen Sozialversicherungsentgelts zahlen. Allerdings können die Parteien durch vertragliche Vereinbarung auch eine individuelle Höhe der Lohnfortzahlungen festlegen. Nach dem Ablauf dieser 24 Monate obliegt dem Arbeitgeber nicht länger die Verpflichtung der Lohnfortzahlung. Sollte der Arbeitnehmer jedoch nach einem Monat der Arbeitsfähigkeit wieder arbeitsunfähig werden, so besteht fortan erneut wieder für 24 Monate die Pflicht des Arbeitgebers zur Lohnfortzahlung gegenüber dem Arbeitnehmer. Sofern ein befristetes Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer vorliegt, so endet die Verpflichtung zur Lohnfortzahlung mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses.
Rechte des Arbeitnehmers – Lohnfortzahlung in den Niederlanden
Der Arbeitnehmer hat gegenüber seinem Arbeitgeber für den Zeitraum seiner Arbeitsunfähigkeit, höchstens aber für einen Zeitraum von 24 Monaten, einen Anspruch auf Fortzahlung des Lohnes bzw. Auszahlung von mindestens 70% des aktuellen Sozialversicherungsentgelts.
Der Arbeitnehmer kann jedoch auch nach dem Ablauf der 24 Monate bei der UWV eine Verlängerung der Lohnfortzahlung beantragen. In besonderen Härtefällen, in denen es dem Arbeitnehmer nicht möglich oder nicht zumutbar ist, die Arbeit aufzunehmen, wird die Behörde dem Antrag des Arbeitnehmers stattgeben.
Um sich für den Fall der Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers abzusichern, kann der Arbeitgeber eine entsprechende Versicherung abschließen, durch welche dem wirtschaftlichen Risiko der Festanstellung von Arbeitnehmern entgegenwirkt wird.
Kontakt
Haben Sie weitere Fragen zur Arbeitsunfähigkeit und zum Arbeitsrecht in den Niederlanden? Unsere deutschsprachigen Anwälte und Juristen stehen Ihnen gerne für alle arbeitsrechtlichen Fragen zur Verfügung. Gerne können Sie sich an Herrn Joost Vermeer (j.vermeer@berlinger.nl) oder Frau Gabriela Rose (g.rose@berlinger.nl) wenden.